Fischer Audio – hört sich nach bester deutscher Wertarbeit an, oder? Ist es aber nicht. Also, zumindest keine deutsche, sondern (Überraschung!) russische Wertarbeit.
Die in St. Petersburg angesiedelte Firma Fischer Audio baut seit 2006 Kopfhörer, Headsets, Accessoires und In-Ear-Hörer, die den Vergleich mit der Weltspitze nicht scheuen müssen, und zwar weder in Bezug auf Verarbeitungsqualität noch auf den Klang. Wir fühlen den Topmodellen aus der Master Series, den DBA-02 MK2 und den TBA-04, auf den Zahn.
Balanced Armature?
Beide In-Ear-Hörer zeichnen sich durch elaborierte Technik in Form von Mehrwegesystemen aus. Im DBA-02 Mk2 arbeiten zwei Schallwandler, einer für den Bassbereich, einer für den Mittelhochton. Im Topmodell TBA-04 sind es sogar derer drei: Bass, Mitten und Hochton kommen in den Genuss gänzlich frequenzgetrennter Treiber und Beschaltung. Ein weiteres Highlight: Fischer Audio verwendet in beiden Modellen sogenannte Balanced- Armature-Treiber. Das Balanced-Armature-Schallwandler-Design (wörtlich: ausgewogener Anker) soll in erster Linie den elektrischen Wirkungsgrad durch den Wegfall der Belastung auf die Membran erhöhen, wie es charakteristisch für die meisten anderen andere Antriebsarten ist. Das Balanced- Armature-Prinzip besteht aus einem Permanentmagneten und einem genau in dessen Magnetfeld zentrierten, beweglich gelagerten Anker mit Spulenwicklungen. Im Zentrum des Magnetfelds gibt es keine resultierende Kraft auf den Anker, daher der Begriff „ausgewogen“. Wenn nun Strom durch die Spule des Ankers fließt, magnetisiert der Anker, so dass er leicht in die eine oder andere Richtung bewegt wird. Die Membran am Anker befestigt und erzeugt durch die Bewegung Schallwellen. BA-Treiber werden aufgrund ihrer geringen Größe und niedrigen Impedanz normalerweise in Ohrkanalhörern (In-Ear-Ohrhörern) und Hörgeräten verwendet. Nachteil: BA-Treiber spielen normalerweise nicht ganz so breitbandig.
Auch erfordern sie eine höhere Abdichtung nach außen als andere Treiberarten, um ihr volles Potenzial liefern zu können. High-End-Modelle wie die beiden Fischer-Audio-In- Ears können mehrere BA-Treiber verwenden, um das Klangspektrum besser darstellen zu können. Mithilfe von passiven Frequenzweichen werden diese zu einem Gesamt-Klangbild kombiniert.
From Russia with love
Die beiden Fischer-Audio-In-Ears sind in Anbetracht der verwendeten Technologie durchaus als noch günstig zu bezeichnen. 149 Euro ruft der deutsche Vertrieb Headsound Audio für das mittlere Modell aus der Master Series der St. Petersburger auf. Für den dritten Frequenzkanal, das aufwendigere Keramikgehäuse und die minimal bessere Ausstattung des Topmodells werden weitere 100 Euro fällig. Beide In-Ears sind sehr gut ausgestattet. 8 (DBA-02) beziehungsweise 9 Paar (TBA-04) verschiedener Ohrpassstücke liegen bei, ein Clip zum Befestigen des Kabels am Revers, je zwei Ohrbügel für festen Halt ohne Zug am Kabel, und eine stabile Transportbox finden sich in den äußerlich fast identischen Verpackungen. Im Gegensatz zum 130 cm langen Flachbandkabel des DBA-02 verwenden die TBA-04 ein 120 cm langes, verdrilltes Kabel. Letzteres ist leicht und bietet durch die Verdrillung bereits etwas Elastizität, und es gibt eine Art Puffer als weitere Zugentlastung im Kabel. Des Weiteren positiv hervorzuheben ist, dass linker und rechter Kanal bei beiden Modellen eindeutig und leicht erkennbar gekennzeichnet sind – im täglichen Umgang ist das eine echte Hilfe.
Dass weder DBA-02 noch TBA-04 über eine Headsetfunktion verfügen, ist angesichts des highfidelen Anspruchs verschmerzbar, führt aber zu Abzügen in der B-Note – schließlich wollen auch audiophile Businessmenschen gerne mal telefonieren, ohne die Ohrhörer herausnehmen zu müssen …
Sitz und Sound
Die breite Auswahl an Ohrpassstücken sollte jedem Besitzer perfekten Sitz der Ohrhörer im Gehörgang ermöglichen – nicht nur unterschiedliche Größen sind im Angebot, sondern auch Aufsätze in unterschiedlichen Formen sowie mit und ohne Schaumstofffüllung zur besseren Schallisolierung – vorbildlich! Als besonders angenehm empfinde ich die im Einsatz kaum spürbaren Ohrbügel, da sie ein fast schwereloses Tragegefühl der nicht gerade kleinen Buds ermöglichen. Die Schallkanäle beider Ohrhörer sind so abgewinkelt, dass sie optimal in den Gehörgang passen. Die TBA-04 sitzen hier für meinen Geschmack noch einen Tick sicherer und weniger spürbar im Ohr, beide Modelle fühlen sich jedoch recht sicher an. Nutzt man die beigelegten Ohrbügel nicht, empfiehlt es sich, dennoch die Kabel über die Ohren nach hinten zu führen, da die spezielle Formgebung beider Modelle das Kabel nach oben aus den Gehäusen herausführt. Die ersten Töne mit dem kleineren Schwesterchen, den DBA-02 Mk2, verblüffen: Selten habe ich eine derart hohe Auflösung und luftige Raumdarstellung mit einem In-Ear gehört. Percussion und der Hall von Stimmen und Instrumenten scheinen eindeutig von außerhalb meines Kopfes zu kommen, hier gibt es keine Spur von Im-Kopf-Lokalisation. Tonal bewegen sich die mittleren Master-Series-In-Ears definitiv auf der brillanten, schlanken Seite.
Der Bass ist zwar da und reicht auch tief hinab, doch fehlt es ihm gerade mit elektrischer Musik oder Heavy Metal an Druck, Fülle und Konsequenz. Mit Jazz und kleineren Besetzungen fällt das weniger auf, zumal die DBA-02 Mk2 Umgebungsgeräusche recht gut dämmen und so die Konzentration auf die Musik möglich machen. Am entgegengesetzten Ende der Frequenzskala dagegen üben sich die DBA-02 Mk2 nicht in Zurückhaltung. Mit stupender Attacke und Geschwindigkeit sowie beeindruckender Auflösung holt der Balanced- Armature-Treiber alles aus der Aufnahme, was drauf ist. Im Zusammenspiel mit dem betont schlanken Bass ergibt sich ein insgesamt eher helles, funkelnd-prickelndes Klangbild. Das ist ein Statement und eine Abstimmung mit Charakter statt absoluter Neutralität – prinzipiell ist das ja nichts Schlechtes (auch wenn die Sibilanten dem einen oder anderen Hörer zu scharf betont sein dürften), aber man muss darauf stehen und bei Elektro und Rock auch damit leben können. Einfacher macht das der geradezu als „erdendes Element“ fungierende Mitteltonbereich. Er ist das Sahnestück bei den Fischers, auch, so viel vorweg, beim TBA-04: Unglaublich offen, transparent, räumlich in der Darstellung – allein das Wort geschmeidig mag mir nicht so recht in den Sinn kommen, dazu sind (vielleicht ein Tribut an die insgesamt analytische Abstimmung der DBA-02) auch nach ca.
24 Stunden Einspielzeit noch zu viele Ecken und Kanten hörbar. Was uns zu den TBA-04 bringt. Denn die machen alles das, was die DBA-02 Mk2 so gut können, noch einen Tick besser, und lassen den kleinen Unstimmigkeiten des Schwestermodells gar nicht erst eine Chance. Ein wärmerer, vollerer Bass, im Vergleich leicht zurückgenommene Höhen ohne Betonung des S-Lautebereichs, und ein noch offenerer, stimmigerer und, ja, geschmeidigerer Mitteltonbereich zeigen, dass der dritte Kanal des Topmodells nicht nur mehr kostet, sondern auch tatsächlich ein Plus an Klangqualität bringt. Die Bassdrum auf Yellos „Fat Cry“ hat mehr Wucht und Druck, und so runden die TBA-04 das im Hochton noch natürlicher anmutende Klangbild um die fantastisch differenzierten Mitten herum kongenial ab. Ein Familienklang ist bei Fischers unbestreitbar vorhanden – auch wenn die TBA-04 eher in Richtung Neutralität tendieren als die DBA-02 Mk2, zeigen beide Modelle einen offenen, transparenten und schlackefreien Klang, der audiophile Hörer ziemlich anmachen, für Einsteiger und Technojünger aber eine Herausforderung sein dürfte.
Fazit
Die Empfehlung geht trotz des Aufpreises an den TBA- 04, der universeller, neutraler und angenehmer klingt und so die vorhandenen Talente des DBA-02 Mk2 vollends kultiviert.